Friday, October 2, 2020

Making Talents: Marie Radke

Junge neue Talente sind sozusagen das Lebenselixier einer Branche, für die ansprechendes Design von essenzieller Bedeutung ist. Aber wie wird man eigentlich Nachwuchsdesigner? Und was treibt junge Talente an? TOP FAIR stellt im Rahmen einer Serie Nachwuchsdesigner aus verschiedenen Produktsegmenten vor und spricht mit ihnen über ihren Werdegang und ihre Projekte. Alle vorgestellten Designer stellten ihre Entwürfe und Produkte im Rahmen der Sonderschau Talents auf der Ambiente 2020 vor.

In der zweiten Folge sprechen wir mit Marie Radke. Sie hat ihr Produktdesignstudium an der UdK Berlin im April 2019 abgeschlossen und war für verschiedene Designer tätig, beispielsweise Martha Schwindlig und bartmann berlin. Darüber hinaus arbeitet sie an kreativen Konzepten und Visualisierungen für verschiedene Marken und als Setdesignerin. In ihren Arbeiten kombiniert sie humorvolle und innovative Lösungsansätze.

: Gibt es so etwas wie eine eigene Designphilosophie und was macht gutes Design für Sie aus?
Wichtige Punkte im Designprozess sind für mich Formensprache, Funktionalität, Farbgebung und die Frage, was brauchen wir eigentlich noch? Nehmen wir als Beispiele ein Objekt mit einer Wölbung auf die man meint ständig drücken zu müssen; oder eine Wasserkaraffe, bei der alle zum Einschenken den Deckel abschrauben wollen. Die Karaffe sagt einem ja nicht „Hej, alles was du tun musst, ist einschenken, der Deckel kann drauf bleiben.“ Wenn man das bei jeder Grillparty mehrmals sagen muss, bringt das Objekt keine Freude mehr.
Genauso frage ich mich übrigens auch, warum man 2020 immer noch Kapselkaffeemaschinen auf den Markt bringt. Das ist in Sachen Umwelt ein Rückschritt gegenüber früheren Lösungen wie Filterkaffee oder Frenchpress. Das finde ich verrückt.
Grundsätzlich sollten Produkte natürlich etwas können und funktional sein, aber sie sollten auch Spaß machen. Ich habe mich wahnsinnig über den Wasserkocher von Sowden für Hay gefreut. Endlich ein schöner Wasserkocher! Der ist auf meiner Wunschliste ganz weit oben. Obwohl es schon tausende Wasserkocher gibt, hat dieser gefehlt. Die Küche wird mehr zum Lebensraum und Wohnzimmer, da oft das klassische Wohnzimmer fehlt, weil der Wohnraum kleiner wird. Da gehören auch schöne Dinge hin, über die man sich freut.

: Haben Sie Designvorbilder im Sinne von Personen oder einzelnen aus Ihrer Sicht besonders gelungenen Designs?
Das Hamburger Studio Besau Maguerre inspiriert mich sehr, weil es so vielfältig und interdisziplinär ist. Da ich mich auch immer mit der Frage beschäftige, was ich alles gerne machen möchte und meine Interessen sehr breitgefächert sind, ist es beruhigend zu sehen, dass so etwas funktioniert. Ansonsten gibt es natürlich noch ein paar Vorbilder wie Hella Jongerius, Ineke Hans, India Mahdavi oder Martha Schwindling. Aber genauso inspirieren und beeindrucken mich auch Kommilitonen und Freund*innen im Design. Deswegen liebe ich Wettbewerbe, bei denen es irgendwann im Verlauf ein „get together“ gibt. Dass der ein&zwanzig-Wettbewerb durch Corona ausgefallen ist, hat mich doch stark getroffen. Ich hätte gerne die anderen Gewinner im Rahmen der Ausstellung kennengelernt. Ende 2019 war ich in Dubai auf der Global Grad Show mit meiner Möbelkollektion Familie Hempel und das Beste an der Ausstellung war es, andere junge Designer*innen aus anderen Teilen der Welt kennenzulernen und zu sehen, dass Design nicht nur weiß ist. Die besten Gespräche hat man dann beim stundenlangen Warten am Flughafen – so etwas schweißt zusammen.

: Haben Sie unter Ihren eigenen Entwürfen ein Lieblingsdesign? Also beispielsweise einen Entwurf, der besonders gelungen ist oder bei dem eine besondere schwierige Anforderung umgesetzt werden musste?
Natürlich die Familie Hempel – das Projekt ist eine Hommage an den ‚Klamottenstuhl’ auf dem Kleidung abgelegt wird, die schon getragen ist aber noch nicht gewaschen werden muss. Auf den ersten Blick sieht dieser Stuhl nach absolutem Chaos aus, in Wahrheit jedoch hält er die Ordnung aufrecht. Sein einziger Makel: Man kann nicht mehr auf ihm sitzen. Mit der Familie Hempel wird der Klamottenstuhl aus einer Grauzone geholt. Zudem wird durch das Ablegen der Kleidung unnötiges Waschen vermieden und es entsteht eine neue Wertschätzung der eigenen Kleidung in der „Fast Fashion Welt“. Familie Hempel ist eine Kollektion bestehend aus einem Hocker, einem Pouf, einer Bank und einem Hochsitz. Ich mag, dass man die Möbel einerseits so intuitiv benutzen kann, wie einen Klamottenstuhl, andererseits aber eben noch darauf sitzen kann. Ich habe mich auf verschiedene menschliche Gesten wie das ‚hängen, stopfen oder ablegen‘ konzentriert. Das sind ja eher recht „faule“ Gesten aber das fand ich gerade spannend. Wenn man nach einem Arbeitstag nach Hause kommt, darf man auch mal faul sein und man legt seine bereits getragene Kleidung nicht mehr zusammengefaltet in den Schrank. Das war vielleicht auch der Grund für so viel Zuspruch: Viele Menschen können sich mit diesem Ansatz identifizieren.

: Wie entstehen die eigenen Ideen? Was inspiriert Sie? Gibt es handwerkliche Präferenzen bei der Erstellung von Entwürfen (also Bleistift oder digital?) Mit welchen Werkstoffen arbeiten Sie hauptsächlich bzw. am liebsten?
Ich recherchiere am Anfang einer Idee sehr viel. Da reicht manchmal nur ein Thema oder eine Funktion und ich setze mich ein paar Stunden (manchmal auch Tage) an den Computer und suche. Dann zeichne ich ein wenig und benutze dabei immer Farbe. Ich denke immer in Bildern und manchmal weiß ich schon, mit welchen Farben ich arbeiten möchte oder wie das Set beim Shooting aussehen soll, obwohl der Entwurf noch nicht mal fertig ist. Im nächsten Schritt werden mit Pappe und Heißkleber erste Modelle gebaut, oft auch 1:1 und schließlich wird das ganze dann digital umgesetzt.

: An welchen Projekten arbeiten Sie gerade?
Mich beschäftigen Themen wie Wohnraum und Nutzen sehr. Natürlich gibt es schon alles auf dem Markt, um eine Wohnung auszustatten, aber Realitäten und Rituale verändern sich auch. Der Esstisch ist gleichzeitig vielleicht auch der Schreibtisch. In diesen Zeiten natürlich mehr denn je.
Gerade habe ich ein privates Riesenprojekt abgeschlossen. Ich habe meine alte Einbau-Monster-Küche von 1993 ausgebaut, den Raum (mit Boden und Wänden) komplett renoviert und am Ende selber eine Küche gebaut. Das alles für unter 1000 Euro. Da habe ich gemerkt, dass ich Interiordesign einfach liebe! Ich liebe es, einen Raum komplett neu zu gestalten.
Während des Corona-Lockdown habe ich angefangen an einer Teppich-Kollektion zu arbeiten. Es ist ein eher poetisches Projekt, bei dem ich mich mit den Themen Heimat und Geborgenheit auseinandergesetzt habe. Die Herstellung dauert ewig aber sie bringt Spaß. Im Oktober fange ich mit meinem Master-Studium in Berlin an und da wird natürlich wieder eine neue Möbelkollektion entstehen.

: Welche Herausforderungen sieht man sich nach dem Studium als Newcomer gegenüber?
Das größte Fragezeichen nach dem Bachelorabschluss war: „Und nun?“ Ich hatte viel Glück, dass meine Kollektion Familie Hempel gut ankam und ich auf vielen Ausstellungen und Messen war. Das hat mir auch das nötige Selbstvertrauen gegeben. Messen und Wettbewerbe sind kostenintensiv. Die größte Herausforderung ist also die finanzielle.
Eine Vertretungsstelle als Künstlerische Mitarbeiterin gab mir die finanzielle Sicherheit auf Messen präsentieren zu können. Für den Talents-Stand auf der Ambiente habe ich eine Green Card bei den German Design Graduates gewonnen, aber es kommen natürlich noch Kosten für Transport, Fahrt und Übernachtung dazu. Aber es hat sich gelohnt, die Ambiente war richtig toll! Auch die Teilnahme an Wettbewerben ist ein Kostenfaktor. Für den Hessischen Staatspreis musste ich A2 Präsentationscharts einreichen. Da habe ich mich natürlich schon gefragt, ob man inspiriert durch die Corona-Zeit nicht alles auch online machen kann… Die Stelle an der Uni hat mich zudem dazu motiviert den Master zu machen, da ich mir in ein paar Jahren auch vorstellen könnte in der Lehre zu arbeiten.

Marie Radke / Instagram

Webseite von Marie Radke

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